So trinkt man Tee im Norden: ostfriesische Teekultur

So trinkt man Tee im Norden: ostfriesische Teekultur

Teekultur in Ostfriesland | Bild: Wikipedia CC-BY

Ostfriesen und Tee – das gehört einfach zusammen, und zwar schon seit Anfang des 16. Jahrhunderts. Damals importierte die Niederländische Ostindien-Kompanie Tee in die Niederlande und bald auch zu den ostfriesischen Nachbarn, von denen auch etliche als Schiffer auf Rechnung der Kompanie beschäftigt waren. Selbst Friedrich II. gelang es 1768 nur für wenige Jahre, den Ostfriesen ihr „chinesisches Drachengift“ zu verbieten. In dieser Zeit blühte der ostfriesische Teeschmuggel ebenso wie zur Zeit der Napoleonischen Kontinentalsperre zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Und nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten die Bewohner Ostfrieslands als einzige zu ihren Lebensmittelrationen auch noch „Teekarten“. Die ostfriesische Teekultur gehört noch heute zum Alltag, die mehrfach am Tag zelebriert wird. Es gehört zur Gastfreundschaft, dass jeder Gast, so kurz er auch bleibt, mit Tee willkommen geheißen wird. Kein Wunder also, dass die Ostfriesen Weltmeister im Teetrinken sind und mehr als alle anderen Bevölkerungsgruppen konsumieren, nämlich beeindruckende knapp 300 Liter jährlich!

Der Ablauf der Zeremonie

Üblicherweise ist Teetied morgens, vormittags zum Elführtje, nachmittags und abends, wobei der Nachmittag gegen 15 Uhr die klassische Zeit für die gemütliche Zeremonie ist. Benötigt wird (ob nun in einem ostfriesischen Café oder daheim) immer das folgende Zubehör:

  • Ostfriesentee (am besten von einem der traditionsreichen ostfriesischen Teehäuser): Die Mischung besteht zum Großteil aus kräftigen Assam-Sorten sowie Beimischungen von Ceylon, Darjeeling oder anderen
  • Kluntje (großer weißer Kandis) und Kluntjezange
  • Teekanne und Stövchen
  • Weiches Wasser – Das Wasser in Ostfriesland ist besonders weich, was für das Teekochen ideal ist. Wer nicht über weiches Leitungswasser verfügt, sollte das Wasser vor dem Aufbrühen filtern.
  • Sahne
  • Sahnelöffel
  • Teetasse und Untertasse aus dünnwandigem Porzellan mit Teelöffel (das traditionelle Geschirr ist Dresdner Teegeschirr, Dresmer Teegood, in den klassischen Varianten Blau und Rot mit der roten Rose)

Zunächst wird kochendes Wasser in die Teekanne gegeben, um sie vorzuwärmen. Dann kommt der lose Tee in die Kanne: Als Faustregel gilt ein Teelöffel pro Tasse plus ein Löffel „für die Kanne“. Dieser wird dann mit dem gerade nicht mehr kochenden Wasser überbrüht, sodass die Kanne maximal zur Hälfte gefüllt ist. Der Tee sollte drei bis maximal fünf Minuten bei geschlossenem Deckel ziehen, erst dann wird die Kanne mit dem heißen Wasser komplett gefüllt. Je nach Geschmack kann man nun den fertigen Tee durch ein Sieb in eine zweite, ebenfalls vorgewärmte Kanne umgießen oder aber den Tee einzeln durchs Sieb in Tassen gießen.

Dann kommt mit der Zange (die immer noch Teil einer ostfriesischen Aussteuer ist) ein großes Stück Kluntje in jede Tasse. Erst wenn in allen Tassen Kluntje ist, wird der Tee eingeschenkt, wobei das charakteristisch-gemütliche Knistern und Knacken des Kluntje entsteht. Mit dem Rohmlepel gibt man dann vorsichtig vom Rand her Sahne in die Tasse, damit die klassische „Wolke“ entsteht, das Wulkje Rohm. Die Teezeremonie dient der Gemütlichkeit und dem entspannten Sinnieren, nicht dem Durstlöschen. Ganz wichtig: Der Tee wird nicht umgerührt! Dadurch entsteht der ganz besondere Teegenuss, denn beim Trinken schmeckt man zunächst den kräftigen Tee, dann die sahnig-milchige Mischung in der Mitte und zum Schluss am Grund der Tasse den süßen Schluck Tee mit dem geschmolzenen Kandis. Ursprünglich entstand dieser Brauch daraus, dass Kluntje teuer war und über mehrere Tassen halten sollte, aber Kenner schätzen den „geschichteten“ Geschmack von bitter, mild und süß des ostfriesischen Tees sehr.

Ostfriesen-Recht

Aber wozu dann nun die Teelöffel, wenn der Tee doch bei der traditionellen Zeremonie (mittlerweile rühren viele Ostfriesen ihren „täglichen“ Tee durchaus auch um) gar nicht umgerührt wird? Ganz einfach: Drei Tassen sind Pflicht bei der Teezeremonie, vorher abzulehnen gilt als unhöflich, denn Dree is Oostfresen Recht. Um danach das Nachschenken weiteren Tees zu verhindern, wird der Teelöffel in die Tasse gestellt als deutliches Signal, dass kein weiterer Tee gewünscht wird.

Wie wichtig den Einheimischen ihre Teetied ist, sieht man daran, dass sie ihr sogar ein Denkmal errichtet haben in Form von Teelke (der Name ist ein klassischer ostfriesischer Vorname und hat nichts mit Tee zu tun). Teelke ist eine Statue in Leer, die Teekessel und –tasse in den Händen hält. Mittlerweile wurde die ostfriesische Teekultur sogar von der UNESCO als Immaterielles Kulturerbe anerkannt. Ausprobieren dieser köstlichen Teezeremonie lohnt sich, ob daheim oder vor Ort in Ostfriesland!

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